Sonntag, 27. November 2011

Musik, zwo, drei, vier!

Letzten Sonntag stellte der von mir sehr geschätzte Schauspieler Robert Hardy auf BBC Radio Four die Musikstücke vor, die er auf eine einsame Insel mitnehmen wollte (falls Ihr neugierig auf seine Auswahl seid: Robert Hardy on Desert Island). Ich finde solche Listen immer ausgesprochen interessant und anregend - und ja, das ist durchaus als Aufforderung zu verstehen, mir hier Eure Lieblingsstücke zu verraten.

Was die meinen angeht, beginnt die Liste auf jeden Fall mit

1. Johann Sebastian Bach: Messe in h-moll
Und die hätte ich gerne von einem Knabenchor gesungen (die Aufnahme kommt schon ganz gut hin: h-moll Messe mit den Thomanern), auf modernen Instrumenten ("werkgetreu" hin oder her: Ich bin überzeugt, dass Bach auf die Instrumente seiner Zeit gepfiffen hätte, wenn er moderne hätte haben können. Er war diesbezüglich absolut kein Traditionalist, sondern hat zum Beispiel mit Begeisterung die von Silbermann gebauten Instrumente ausprobiert und gespielt. Sorry, Herr Harnoncourt: Deine Original-Orchester klingen mir zu "dumpf") und von einem Dirigenten gepinselt, der nicht meint,  dass man Bach um des "ernsten Themas" willen wie einen Trauermarsch zelebrieren muss.

Doch wie auch immer: Die h-moll Messe ist für mich das Musikstück, das ich, wenn ich wüsste, dass ich nur noch eines in diesem Leben hören kann, haben wollte. Und wenn ich mich innerhalb der h-moll Messe entscheiden müsste, wäre es das "et resurexit". In ihm verkörpert sich mein Glaubensempfinden, es steht mit seiner strahlenden Fuge für die große Botschaft: "Er ist auferstanden.". Doch weit über das religiöse Empfinden hinaus ist es einfach ein großartiges Stück Musik.

2. Noch einmal Johann Sebastian Bach: Die Orchestersuiten BWV 1066-1069
Die CD dazu: Bach Orchester Suiten von der Academy in St. Martins of the fields
Barocke Pracht, Lebensfreude und Sinnlichkeit - das sind für mich die Bach'schen Orchestersuiten. Dabei sind sie aber - zumindest meiner Meinung nach - ganz Bach insofern, dass der Klangteppich, der da gewebt wird (okay, ich gebe es zu: Ich liebe Polyphonie), immer transparent bleibt, dass die Soloflöte in der h-moll Suite silbern und leicht klingt, dass die Streicher süßen Wohlklang auf dem festen Fundament des Basso Continuo entfalten dürfen - und ja, ich gerate ins Schwärmen.

3. Carl Maria von Weber: Konzert für Fagott und Orchester F-Dur, op.75
Das steht in der Version Weber Fagottkonzert mit Klaus Thunemann in meinem Regal - und mit Klaus Thunemann kann man so wenig etwas falsch machen wie mit Sir Neville Mariner.
Das Weber-Fagottkonzert liegt mir als ehemaliger Fagottistin natürlich besonders am Herzen. Ich hab's mit Freude gespielt, ich höre es immer wieder gerne und ja, ich bevorzuge es sogar gegenüber dem Mozart'schen Fagottkonzert, das auch schön ist, aber in dem meines Erachtens das Instrument nicht so ausgereizt wird wie bei Weber.

4. Und nun zu etwas ganz anderem: "That's what friends are for" von Dionne Warwick
Damit nicht der Eindruck entsteht, dass ich nur Klassik höre und alles, was nach 1900 geschrieben wurde, ignoriere: Manchmal darf's ruhig auch ein bisschen "popig" sein - und wenn ich in die Richtung marschiere, ist das einer meiner absoluten Lieblingssongs.

5. Weil ich schon dabei bin: "We are the champions" von Queen
Ich kann nicht singen. Ich habe es zwar einstmals gelernt, aber mir dann eine Stimmbandentzündung zugezogen, die ein angeschlagenes Stimmband hinterlassen hat. Nun klappt's nicht mehr mit der Kontrolle meiner Singstimme. Manchmal aber, wenn ich mit dem dicken Schimmel im Wald unterwegs bin und er mir wieder mal zeigt, was für ein großartiges Pferd er ist, kann ich nicht anders: Dann singe ich - so laut ich kann (was nicht sehr laut ist. Es muss also niemand die armen Rehlein bedauern) - "We are the champions". Dem dicken Schimmel gefällt's, obwohl ich nur jeden dritten Ton treffe. Er spielt dann vergnügt mit den Ohren und begleitet mich mit Brummen und Schnauben.

6. Zurück zur Klassik: Georg Friedrich Händel, "Dettinger Te Deum"
Und noch einmal zum Reinhören: Dettinger Te Deum. Ich war, glaube ich, 12 oder 13 Jahre alt, als mein Schulchor das "Dettinger Te Deum" einstudierte und aufführte. Und so doof man als Teenager sein kann: Es war mir nicht peinlich, als ich beim ersten großen Choreinsatz, dem fünfstimmigen "We praise Thee", sah, dass mein Großvater in der dritten Reihe Tränen in den Augen hatte.
Händel gilt nicht zu Unrecht als der "Großmeister" der barocken Pracht. "Plakativer" und wohl auch weltlicher als Bach, zelebrierte er die Sinnenfreude seiner Zeit mit großen Bläserchören und Chören, die von der kunstvoll feinen Fuge bis zum großen Unisono-Akkord das ganze Spektrum abdecken. Händel macht Laune - und zudem kann ich mit ihm den Professor so schön ärgern. Immer, wenn er sich darüber amüsiert, dass "sein" Shakespeare einer der meist gespielten Autoren auf deutschen Bühnen ist und mich damit ärgern will, dass wir Deutschen so einen Großen eben nicht zu bieten hätten, feuere ich zurück, dass Englands größter Komponist wohl der in der Westminster Abbey begrabene George Frederic Handel (so schreiben sie ihn gerne) war - und den haben sie ja wohl aus Deutschland importiert, nicht?

7. Wolfgang Amadeus Mozart: Le Nozze de Figaro
Ich gestehe, kein großer Opernfan zu sein. Ich kann sehr gut ohne Wagner leben (um ganz ehrlich zu sein: Gesungen halte ich ihn eh nicht aus), ich muss auch nicht dauernd Verdi hören (obgleich ich den "Rigoletto" und den "Don Carlos" durchaus mag), mit den modernen kann man mich sowieso jagen und die Barockoper muss für mich nicht szenisch daher kommen. Dennoch gibt es eine Oper, die ich sehr, sehr liebe: Mozarts Figaro. Ich lächle, wenn der Cherubino seine Liebesverwirrungen beschreibt, grinse extrabreit, wenn Figaro sich darüber freut, dass der freche Bengel zu den Soldaten geschickt wird, leide mit der Gräfin, wenn sie die Fremdgeherei ihres Grafen beklagt (und ärgere mich übrigens jedesmal, wenn der als totaler Kotzbrocken dargestellt wird. Etwas liebenswertes muss er doch haben, sonst würde seine Gräfin doch nicht so hinter ihm herjammern!) und schmelze schließlich dahin, wenn er im Finale auf die Knie geht und sie mit "Pace, pace, mio dolce tesoro" um Verzeihung bittet (dabei weiß ich auch, dass er schon morgen wieder ein Bauernmädchen flachlegen wird). Figaro ist einfach schön und würde darum für die einsame Insel ebenfalls eingepackt.

8. Gabriel Faure, Pelleas et Melisande
Einfach mal ins Prelude reinhören: Pelleas et Melisande
Ist das nicht wunderschön? Faure gehört für mich zu den am meisten unterschätzten Komponisten. Ich habe ihn über seine Orgelwerke und das "Requiem" kennen gelernt und mich dann in seine wunderschöne, schwebend leichte, romantische Orchestermusik verliebt.

Und damit wäre ich schon fast durch, aber ich hoffe doch, mir würde noch eine CD für die einsame Insel erlaubt:

9. Felix Mendelsohn-Bartholdy, Elias, op.70
Noch einmal geistliche Musik und noch einmal ein Werk, das mit meinem Glauben zu tun hat. Im "Elias" steckt eines der tröstendesten Stücke, die ich kenne: Das "Fürchte Dich nicht" im zweiten Teil (Elias). Es hat meiner Mutter und mir viel bedeutet und ich erinnere mich, wie wir einst, als wir in der Stiftskirche den Elias das erste Mal gehört haben, im gleichen Moment nach der Hand der anderen gefasst haben. Ich meine noch heute, ihre kalte Hand in meiner zu spüren und bewahre diesen Moment der Nähe als eine ganz wichtige, wertvolle Erinnerung. Im Gedanken darum, was auch ihr dieser Chor bedeutet hat, habe ich ihn bei ihrer Trauerfeier spielen lassen. Und ich hoffe, dass die, die einst meine zu gestalten haben, ihn dort ebenfalls erklingen lassen.

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