Mittwoch, 7. Dezember 2011

Die Andere in seinem Leben

Ich kann die Augen nicht länger verschließen. Die Zeichen sind zu offensichtlich: Sein strahlendes Lächeln, wenn er in ihre Nähe kommt, der jugendliche Schwung in seinem Schritt, die Zärtlichkeit, mit der sie behandelt, die Leidenschaft, mit der sie verteidigt. Aber ich war ja gewarnt. Ich höre noch, wie jene gemeinsame Freundin, die ihn ein halbes Jahrhundert lang kennt, zu mir sagte: „Die einzige Frau, die je sicher wissen wird, wo er seine Nächte verbringt, ist seine Witwe.“

Ja, ich habe gewusst, dass er oft genug Monogamie für Monotonie gehalten hat. Dennoch hätte ich es nie für möglich gehalten, dass er so weit gehen würde, dass er seine Geliebte sogar in dem, was doch unser kuscheliges Nest, der idyllische Hort vollkommener, stiller Harmonie sein sollte, installieren würde. Ich muss täglich mit ihr leben. Ich muss oft schon beim Aufwachen ertragen, dass sie sich lautstark lärmend mit dem Mann, der mir Treue gelobt hat, amüsiert. Ich muss mit ansehen, wie er ihre prallen Rundungen liebkost und ihre Formen lobt, wie er an ihr sogar ein – wie ich finde – ausgesprochen vulgäres, enges Outfit in schwarz mit neonpinkfarbenen Akzenten großartig findet.

Dabei – ganz unter uns – bin ich sicher, dass ihre oh-so-tollen Formen aufgespritzt sind. Pures Plastik, ich sag’s Ihnen! Nichts, aber auch gar nichts an ihr ist natürlich. Aber was kann man auch schon von jemanden erwarten, der sich selbst via Vornamen „animalisches“ attestiert?

Ich werde mit ihr leben müssen. Ich bin nur nicht ganz sicher, ob ich ihr, wenn sie das nächstemal in meinem Wohnzimmer rumlungert, nicht einen Tritt verpasse. Und sollte sie mich noch einmal vor neun Uhr morgens mit ihren Lustschreien und diesem scheußlichen Gurgeln, das bei ihr wahrscheinlich für einen multiplen Höchstgenuss steht (bitte verzeihen Sie, dass ich die Verwendung des O-Wortes hier vermeide. Ich möchte diversen Suchmaschinen kein Futter bieten), wecken, mache ich ihr glatt einen Knoten ins Kabel.

Ansonsten möchte ich meine Geschlechtsgenossinnen warnen: Lasst Euren Mann nie in die Nähe eines Dyson Shops! Am Ende kommt er auch mit einer DC37 Animal Turbine raus wie der Meine und Ihr erleidet dasselbe Schicksal wie ich!


Montag, 5. Dezember 2011

Gastfreundschaft und Tierliebe

Mein Mütterlein hat sich redlich Mühe gegeben, mich zu einem einigermaßen sozialkompatiblen Menschen zu erziehen. Dazu gehörte auch, dass sie mir etwas über „Gastfreundschaft“ beigebracht hat – und zwar, dass ich mich, bitt’schön, zu bemühen hätte, Leuten, die ich einlade, das Gefühl zu geben, bei mir willkommen zu sein.

Sie selbst war eine tolle Gastgeberin. Um ganz ehrlich zu sein: Für meinen Geschmack hat sie es manchmal sogar übertrieben, wenn sie für jeden Gast – und wenn’s auch nur die Nachbarin war, die ein Paket angenommen hatte und dafür zum Kaffee eingeladen wurde – erst den Staubsauger schwang, sodann den Tisch mit dem „guten Geschirr“, kunstvoll gefalteten Stoffservietten, Blumen und Kerzen deckte und einen Kuchen gebacken hat. Manchmal habe ich mich über das „Mordsgeschiss“, das sie da aufführte, echauffiert und ich erinnere mich sogar daran, ihr mal erklärt zu haben, dass ich es als Gast ziemlich blöd fände, wenn ich wüsste, dass wegen meines Erscheinens Hektik ausbreche und die Bude auf den Kopf gestellt würde. Später haben sich dann meine WG-Mitbewohner mal fast kaputt gelacht, weil ich wegen eines zu erwartenden Herrenbesuch auf zwei von ihnen hinterlassenen Bierkisten in der Küche balancierte und unsere Lampe mit Scheuermilch abbürstete. Aber was sollte ich machen? Der Herr war 1,88 m groß und hätte vermutlich den Fliegenfriedhof in der Lampe ebenso wie die Fett- und Nikotinüberstände auf der Lampe gesehen! Aber das ist eine andere Geschichte.

„Gastfreundschaft“ ist das Thema – und was das angeht, habe ich heute eine interessante Erfahrung. Eine Freundin hatte mich gebeten, ein Buch, das sie sich ausgeliehen hatte, bei einer gemeinsamen Bekannten abzuliefern. Ich hatte mit der Bekannten – nennen wir sie Margit – telefoniert, um mich anzukündigen, dabei hatte sie fröhlich gefragt: „Hast du ein bisschen Zeit? Wenigstens für einen Kaffee?“

Also fiel ich heute Nachmittag bei Margit ein – und hatte erst einmal das fragwürdige Vergnügen, von ihren drei Buschratten Jack Russell Terriern begrüßt zu werden. Die lieben Tierchen kläfften in der Laufstärke eines startenden Düsenjägers, hüpften an mir hoch, putzten ihre süßen, aber reichlich dreckigen Pfoten an meiner frisch gewaschenen Jeans ab und wurden dafür von ihrer Besitzerin mit einem begeisterten „Sind sie nicht putzig, meine Babies?“ gelobt.

Ich hab‘ nix gegen Hunde (okay, okay, wenn’s zu Jack Russel Terriern kommt, gilt wohl eher: Ich hab‘ nix gegen die was hilft. Ich habe mich wohl zu lange im Busch – sprich: Auf Vielseitigkeitsturnieren – rumgetrieben. Da rannten so viele von diesen Viechern rum, dass ich immer Angst habe, es werde eines Tages Pflicht, mindestens einen davon – selbstverständlich mit rotem oder blauem Halstuch samt eingesticktem Namen, wobei der möglichst originell zu sein hat. Sowas wie „Django“ oder „Tarzan“ ist besonders beliebt – übers Turnier zu schleppen). Ganz im Gegenteil. Der Professor und ich teilen unser Leben mit zwei Vertretern der Spezies Canidae Canini und würden die für kein Geld der Welt hergeben.

Allerdings haben wir den süßen, kleinen Doggiepoos beigebracht, dass sie unser aller Revier nicht jedes Mal, wenn es an der Tür klingelt, durch lautstarkes Gekläffe verteidigen müssen und dass weder wir noch unsere Gäste es goutieren, angesprungen zu werden.

Bei Margit kam’s aber noch besser. Sie bat mich in ihr Wohnzimmer: „Nimm doch Platz und mach’s dir gemütlich.“ Hätte ich gerne, aber als ich gerade meinen Hintern auf das mit Hundehaaren überzogene Sofa platzieren wollte, wurde ich von einem dreistimmingen Hundechor unisono angeknurrt. Margit, die zum Kaffeekochen in der Küche verschwunden war, rief darauf: „Setz dich auf den Sessel. Das Sofa gehört den Babies.“ Ach so. Ja. Klar.

Die Hundibabies scheinen aber offenkundig auch den Sessel als ihren Besitz zu betrachten. Sie haben mich zwar nicht angeknurrt, aber dafür bekam ich ringsrum ungefähr ein Pfund gemischtes Hundehaar ab. In der Küche klingelte unterdessen Margits Handy, was mir Gelegenheit gab, die 43 silbergerahmten Hundebabybilder über dem Sofa zu bewundern. In ihrer Mitte gab es dann auch etwas zu lesen: Ein ebenfalls silbergerahmtes Plakat, in dem sich jemand in schönster Schönschrift ausgetobt und folgendes (sinngemäß wieder gegeben – zum auswendig lernen hat die Zeit dann doch nicht gereicht) niedergeschrieben hatte:

„Für meine Gäste:

1. Meine Hunde sind hier zu Hause. Du nicht.
2. Wenn du keine Hundehaare auf deinen Kleidern haben möchtest, setz dich nicht auf unsere Möbel.
3. Für dich sind sie einfach nur Hunde. Für mich sind sie meine Babies, Familienmitglieder und engste Freunde.
4. Es ist gut möglich, dass mir die Hunde wichtiger sind als du.“

Liegt’s an mir oder würden sich da andere Leute vielleicht auch nicht so richtig willkommen fühlen? Ich meine, ich will ja den oh-so-niedlichen Hundebabies der guten Margit nicht ihr „Heimrecht“ in Margits vier Wänden absprechen, aber ich habe immer Probleme, wenn ich irgendwo das Gefühl habe, dass Tiere den Menschen vorgezogen werden. Da fehlt mir dann nur noch eine Aussage der Klasse „Tiere sind so viel treuer als Menschen“ und ich gehe (zumindest innerlich) die glatten Wände hoch.

Für mich ist Tierliebe eine Facette der Liebe zum Leben(den) – und diese Liebe umfasst selbstverständlich auch Menschen, so schwer es die Margits dieser Welt es einem manchmal auch machen. Dabei versuche ich, die Tiere, mit denen ich zu tun habe, das sein zu lassen, was sie sind: Hunde, Katzen, Pferde – fühlende, empfindende Wesen, die manche Fähigkeit haben, die mir abgeht, die dafür aber andere nicht haben, über die ich verfüge (oder haben Sie schon mal einen Hund am Computer oder ein Pferd bei der Lektüre der ZEIT gesehen?). Sie haben an mich den Anspruch, bestmöglich versorgt und so artgerecht wie nur praktikabel gehalten zu werden. Ich fühle mich für sie verantwortlich, aber aus dem resultiert nicht, dass ich sie über die Menschen setze und für sie schöne, alte Sitten wie Gastfreundschaft über Bord kippe.
Ich möchte, dass meine Gäste sich wohl fühlen. Immer noch. Und trotz unserer Hunde. Aber muss das wirklich ein „trotz“ sein? Hunde sind Rudeltiere. Sie wollen klare Strukturen und sie fühlen sich als „Untertanen“ ihres Rudelführers (der gerne zweibeinig sein darf) durchaus wohl. Dafür akzeptieren unsere, dass die Polstermöbel unseres sind und sie sich in ihre Körbchen zu begeben haben. Dafür akzeptieren sie, dass sie nicht unsere „Babies“ sind, sondern unsere Hunde und dass wir nicht werten wollen, ob sie oder unsere Freunde uns wichtiger sind.